Geht es nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition, sollen Nebeneinkünfte zwar in Zukunft transparenter werden – aber bitte nicht zu schnell. Am gestrigen Donnerstag tagte die Rechtsstellungskommission des Bundestages in einer über zweistündigen Sitzung, um beim Dauerstreitthema Nebeneinkünfte voranzukommen. Schwarz-Gelb bestätigte das bereits im Oktober vorgeschlagene Zehn-Stufen-Modell, das insbesondere höhere Nebeneinkünfte von Abgeordneten transparenter machen soll. Nach unseren Informationen sprachen sich die Koalitions-Abgeordneten jedoch zugleich dafür aus, die Regeländerung erst nach der Bundestagswahl 2013 umzusetzen. Mehr Transparenz soll also erst für den nächsten Bundestag gelten. Ob eine Geschäftsordnungsänderung, die nicht für den jetzigen Bundestag, sondern erst für den nächsten gelten soll, eine ausreichende rechtliche Bindekraft hat, ist allerdings zweifelhaft. Für uns ist es nicht akzeptabel, mehr Transparenz bewusst hinauszuzögern und die Information über die Höhe von Nebeneinkünften damit aus dem Wahlkampf heraus zu halten. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu erfahren, was ihre Abgeordneten neben dem Mandat verdienen, und zwar bevor sie sie wiederwählen!
Mehr Transparenz bei Anwälten?
Die von der Opposition geforderte Offenlegung auf Euro und Cent wurde gestern erneut zu Gunsten des Zehn-Stufen-Modells abgelehnt, mit dem Nebeneinkünfte bis zu einer Höhe von 250.000 Euro offen gelegt werden würden. Bei weiteren bisher strittige Punkten wurden erfreulicherweise einige Fortschritte gemacht. So erhielt nach unseren Informationen die Bundestagsverwaltung einen Prüfauftrag, der die Anwälte und Berater unter den Abgeordneten betrifft: Es soll sondiert werden, ob und wie die Branchen, aus denen ihre Klienten stammen, offen gelegt werden können. Bisher müssen Anwälte lediglich anzeigen, dass sie einen Mandanten hatten, und in welcher Einkommensstufe sich die Auftragssumme bewegt. Gerade bei Beratern und Anwälten ist die Gefahr für Interessenkonflikte besonders hoch, so dass mehr Transparenz hier ein echter Gewinn wäre.
Ebenso hat die Bundestagsverwaltung den Auftrag bekommen zu prüfen, wie das Problem der Verschleierung der faktischen Auftraggeber durch Redneragenturen bei Vortragsveranstaltungen gelöst werden kann. Abgeordnete wie Peer Steinbrück (SPD) oder Eduard Oswald (CDU) haben in dieser Legislaturperiode zahlreiche honorierte Vorträge gehalten, die über Redneragenturen vermittelt wurden. Wer die Honorare letztlich bezahlte, bleibt – außer bei Steinbrück, der inzwischen alle Vorträge offen gelegt hat – unklar. Wenn nun die tatsächlichen Auftraggeber angezeigt werden müssen, wäre auch das ein echter Transparenzgewinn. Sowohl für die Offenlegung der Branchen bei Anwalts- und Beraterkunden sowie die auftraggebergenaue Offenlegung von Nebeneinkünften haben wir uns in den letzten Wochen stark engagiert. Dass in diese Aspekte endlich Bewegung kommt, ist ein Erfolg unserer hartnäckigen Arbeit und des Engagements aller, die unsere Protestaktionen unterstützt haben.
Reform muss zügig umgesetzt werden!
In anderen Punkten gab es dagegen keine Fortschritte. So ist weiterhin keine wirksame Kontrolle der von den Abgeordnete gemachten Angaben zu ihren Nebeneinkünften in Aussicht. Ebenso soll es keine erweiterten Sanktionsmöglichkeiten bei Falschangaben oder anderen Verletzungen der Verhaltensregeln geben.
Wenn die Neuregelungen erst nach der Bundestagswahl greifen, werden den Wählerinnen und Wählern wichtige Informationen für ihre Wahlentscheidung vorenthalten. Der Glaubwürdigkeit von Schwarz-Gelb würde es gut tun, die neuen Regeln so schnell wie möglich umzusetzen.
Update: Den Prüfauftrag zu Anwälten hat es nach Informationen aus dem Büro Solms doch nicht gegeben. Vielmehr wurde eine erweiterte Transparenzpflicht für Anwälte abgelehnt. Kurz nach der Sitzung erreichten uns aus Bundestagskreisen gegenteilige Informationen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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