Die Schleuse ist geöffnet: Seit Jahren profitiert die AfD von millionenschweren verdeckten Geldströmen. AfD-Bundesvorstand Meuthen zum Beispiel ließ sich 2016 ganz bewusst Teile seines Wahlkampfes von einer Schweizer Agentur bezahlen. Doch die wirklichen Finanziers bleiben auch mit Veröffentlichung der AfD-Rechenschaftsberichte unbekannt. Für die Demokratie ist das Vorgehen der AfD eine Gefahr. Macht das AfD-Beispiel Schule, könnten in Zukunft Konzerne, Vermögende oder ausländische Regierungen Wahlkämpfe einfacher mit verdeckten Kampagnen beeinflussen und das Transparenzgebot bei der Parteienfinanzierung aushebeln. Der Bundestag und die Bundestagsverwaltung müssen das verhindern.
Demokratie darf nicht käuflich sein. Um dieser Gefahr zu begegnen, müssen die Finanzierung von Parteien und deren Wahlkämpfen transparent sein. Das Grundgesetz verlangt in Artikel 21,dass die Parteien „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel (…) öffentlich Rechenschaft ablegen“ müssen. Verboten sind zudem anonyme Spenden von mehr als 500 Euro oder Spenden von Ausländern. Die AfD zeigt mit ihrem jetzt vorgelegten Rechenschaftsbericht zum Jahr 2016 (pdf, 50 MB), dass sie diesem Tranzparenzgebot nicht gerecht wird.
Die heimlichen Helfer der AfD
So versucht die Partei zum Beispiel, die Unterstützung einzelner AfD-Politiker durch die Schweizer PR-Agentur Goal AG nicht als Parteispende zu werten und damit die eigentlichen Geldgeber zu verheimlichen. Dabei geht es um zwei Fälle:
- Jörg Meuthen: die Goal AG ließ für Meuthen Anzeigen und Großplakate zur Landtagswahl in Baden-Württemberg schalten (Frühjahr 2016).1 Die Agentur gestaltete auch Meuthens Wahlkampf-Webseite. Dass die Goal AG und separate Geldgeber dahinter standen, blieb verborgen.
- Marcus Pretzell: die Goal AG bezahlte mit 28.000 Euro den Großteil einer von Markus Pretzell organisierten Veranstaltung im Februar 2016, bei der AfD- und FPÖ-Politiker gemeinsam in Düsseldorf aufgetreten waren.2
Lücken und vielsagende Vermerke im Rechenschaftsbericht
In ihrem Rechenschaftsbericht sagt die AfD nichts über Summe und Ursprung des Geldes und argumentiert, die Unterstützung sei in beiden Fällen nicht als Parteispende zu werten (S.222f). Doch diese Argumentation steht vor allem bei Meuthen auf sehr wackligen Füßen. Schließlich hat Meuthen selbst gegenüber einer lokalen Wochenzeitung die rechtliche Verantwortung für die Anzeigen übernommen – und damit an der Wahlwerbung mitgewirkt und sie akzeptiert. Nach Auffassung der Parteienrechtlerin Sophie Schönberger von der Universtität Konstanz ist dies dann als Parteispende zu werten. Außerdem war die Wahlwerbung für Meuthen wie AfD-Materialien gestaltet. Sie kann nicht als eine sogenannte Parallelaktion gelten, die von einer Partei unabhängig ist.
Der Vermerk der AfD im Rechenschaftsbericht zeigt auch, dass die AfD selbst von der Fragwürdigkeit ihrer eigenen Position weiß. Sie hält sich nämlich eine Hintertür offen: der Sachverhalt habe nicht endgültig geklärt werden können. Wenn es sich doch um eine Einnahme der Partei handeln würde, könne dieser erst in den folgenden Rechenschaftsberichten verbucht werden. Dieser Vermerk deutet darauf hin, dass die AfD mit ihrer Rechtsauffassung bei der Bundestagsverwaltung auf Probleme zu stoßen scheint. Denn dort laufen Prüfverfahren zu beiden Fällen.
Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung
Die Prüfverfahren bleiben für die AfD brisant: denn wenn die Unterstützungsaktionen der Goal AG für die AfD-Politiker als Parteispenden gewertet werden, stellen sich weitergehende Fragen: woher hatte die Goal AG das Geld dafür? Handelt es sich am Ende um verbotene anonyme Spenden?
Das Parteiengesetz verbietet anonyme Spenden, auch anonyme Sachspenden. Im Fall von Pretzell hatte Goal-Chef Alexander Segert gesagt, dass das Geld von einem Kunden der Agentur stamme. Auch in einem ähnlichen Fall wie Meuthen liegt der Verdacht auf anonyme Spenden nahe. Der AfD-Politiker Guido Reil hatte von der Goal AG im NRW-Wahlkampf 2017 ähnlich wie Meuthen Großplakate finanziert bekommen. Reil hat selbst gesagt, dass die Goal AG für diese Großplakate einen „Auftraggeber“ gehabt hätte. Die Agentur habe aber nicht gesagt, wer das sei. Reils Aussagen legen nahe, dass es sich hier um anonyme Spende handelt. Da sich die Unterstützungsaktionen der Goal AG für Jörg Meuthen und Guido Reil gleichen, drängt sich der Verdacht auf, dass auch im Falle Meuthen das Geld von anonymen Dritten kam. Die Goal AG hat bislang auf Anfrage von LobbyControl dazu nicht geantwortet.
AfD versucht Transparenzregeln auszuhebeln
Wenn die AfD und Jörg Meuthen mit ihrer Leugnung einer Parteispende durchkommen, wäre das Gift für unsere Demokratie. Denn dann könnten Konzerne, Vermögende oder ausländische Regierungen Wahlkampagnen für eine Partei, im Wissen der Partei und unter Mitwirkung der Partei organisieren, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, wer dahinter steckt. Partei und Politiker müssten nur behaupten, die Kampagne nicht offiziell beauftragt zu haben. Großspender könnten dann statt einer Spende einfach eine Agentur mit gezielter Wahlwerbung beauftragen, um anonym zu bleiben.
Noch bleibt die Hoffnung, dass die Bundestagsverwaltung der AfD einen Strich durch die Rechnung macht. Tatsächlich hat die AfD bislang keine Argumente vorgelegt, warum die Unterstützung für Meuthen keine Parteispende sein sollte. Meuthen selbst behauptet, es gebe ein Rechtsgutachten, das ihn stütze – aber er weigert sich, es zu veröffentlichen. Aus Sicht von LobbyControl ist klar, dass die Unterstützung der Goal AG für Meuthen als Parteispende zu werten ist. Die AfD sollte den Versuch beenden, sich an den Transparenzregeln vorbeizumogeln.
Der millionenschwere Elefant im Raum
Neben der direkten Unterstützung für einzelne AfD-Politiker gibt es einen millionenschweren Elefanten, der im Rechenschaftsbericht der AfD überhaupt nicht auftaucht. Die Goal AG war auch die treibende Kraft hinter der indirekten Wahlwerbung über den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Der Verein hatte erstmals 2016 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg Wahlzeitungen verteilt und Großplakate für die AfD geschaltet. Bei fünf Landtagswahlen machte der Verein 2016 AfD-Werbung in Millionenhöhe. Wer die Geldgeber für die Wahlwerbung zugunsten der AfD sind, bleibt bis heute im Dunkeln.
Denn die indirekte Unterstützungskampagne nutzt ein Schlupfloch in den Transparenzregeln. Selbst wenn die Plakate wie AfD-Plakate wirken, müssen die Gelder nicht wie Parteispenden verbucht und offengelegt werden, solange es keinen Beleg für eine Zusammenarbeit zwischen Verein und AfD gibt. Da der Bundestagsverwaltung als Kontrollbehörde echte Ermittlungskompetenzen fehlen, ist eine mögliche Zusammenarbeit für sie nur schwer nachweisbar. Trotz aller Indizien, für Kontakte zwischen dem Wahlwerbeverein und AfD-Politiker/-innen.
Gegensteuern für mehr Transparenz von Wahlwerbung
Der Rechenschaftsbericht 2016 zeigt, dass die AfD versucht, das Transparenzgebot des Grundgesetzes auszuhebeln. Und sie akzeptiert verdeckte Wahlwerbung zu ihren Gunsten, ohne etwas für mehr Transparenz zu tun.
Die Politik muss hier gegensteuern: Deutschland braucht Transparenzregeln für Wahlwerbung durch Dritte. Ihre Finanzierung muss ähnlich wie Parteispenden offen gelegt werden. Dies muss medien-übergreifend gelten, egal ob es sich um Plakatwände oder Social Media-Anzeigen handelt. Außerdem muss die Kontrolle der Parteienfinanzierung gestärkt werden, damit einzelne Fälle wie die Unterstützung durch die Goal AG besser untersucht und aufgeklärt werden können. Immerhin: Nach langer Untätigkeit scheint es jetzt in der Union einzelne Stimmen zu geben, die eine solche Transparenzregelung im Bundestag voranbringen wollen.
Weitere Informationen
- LobbyControl hat in einem Hintergrundpapier im September 2017 die wesentlichen Fakten zur intransparenten Wahlkampfhilfe für die AfD zusammengefasst.
- In unserer Online-Enzyklopädie Lobbypedia finden Sie weitere Informationen zur Goal AG und dem Verein zur Erhaltung der Rechtstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten.
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