Fünf Wochen nach Veröffentlichung unseres offenen Briefes an Sigmar Gabriel, haben wir endlich eine Antwort erhalten. Geschrieben hat uns Barbara Hendricks, die Schatzmeisterin der SPD. Sie ignoriert jedoch leider wichtige Aspekte unser Forderungen und verharmlost die Transparenzlücke bei Parteispenden. Von der Vorsitzenden der Marburger SPD Marianne Wölk, die ebenfalls den Brief empfangen hatte, haben wir trotz mehrfacher Nachfragen gar keine Antwort erhalten. Mehr Transparenz bei Parteispenden scheint für die SPD ein Thema zu sein, dass man ignorieren oder verharmlosen kann.
In unserem offenen Brief ging es um die fehlende Möglichkeit, den genauen Empfänger von Parteispenden zu ermitteln. Als Empfänger werden die Parteien nämlich nur als ganzes genannt. Ob es sich dabei um einen Ortsverein in Niedersachsen oder einen Unterbezirk in Bayern handelt, bleibt unbekannt. Die gezielte Förderung einzelner Wahlbezirke oder kommunale Landschaftspflege durch einzelne Firmen oder Verbände bleiben deshalb im Dunkeln. So lässt sich im konkreten Fall nicht endgültig klären, ob die 15.000 Euro-Spende an die SPD Marburg 2010 tatsächlich von der Deutschen Vermögensberatung AG stammt. Deshalb forderten wir in dem Brief: dass Spenden dem genauen Empfänger innerhalb einer Partei zugeordnet werden können, dass Spenden schneller veröffentlicht werden und dass die Schwellenwerte für eine Veröffentlichung von Spenden gesenkt werden (siehe Hintergrundinformationen zu unserem offenen Brief).
Auf die ersten beiden Forderungen geht Frau Hendricks leider nicht ein. Das ist umso bedauerlicher, als dass die Forderung nach der genauen Zuordnung von Spenden die Hauptforderung war und unser Anlass für den offenen Brief. Ausführlicher antwortet sie auf die dritte Forderung.
Rechtssicherheit für die Spender?
Zunächst verweist Frau Hendricks auf das Parteiengesetz und schreibt: „Die Spenderinnen und Spender […] können sich darauf verlassen, dass wir die Gesetze einhalten.“ Wir halten das für nicht stichhaltig, dass Informationen, die über das Parteiengesetz hinausgehen, tatsächlich einen Gesetzesbruch bedeuten würden. Also dass eine Partei nicht freiwillig sagen kann, an welche Parteigliederung eine einzelne Spende über 10.000 Euro ging. Wir versuchen das gerade juristisch zu prüfen und werden auf das Argument genauer eingehen, sobald uns ein Ergebnis vorliegt.
Verharmlosung der Transparenzlücke
Die Publikationsgrenze bei Parteispenden liegt aktuell bei 10.000 €. Wir fordern die Grenze auf 2.000 € zu senken. Diese Forderung versucht Frau Hendricks in ihrer Antwort zu relativieren und die damit verbundene Problematik allgemein zu verharmlosen:
„In der Realität ist es übrigens so, dass die Spendenhöhe von 10.000 €, deren Überschreitung nach geltendem Recht zur Veröffentlichung führt, im Laufe des Jahres durch eine Mehrzahl von Spenden erreicht wird.“
Ist das Problem tatsächlich kleiner als von uns angekommen und nur die Minderheit der Spenden betroffen?
Wir haben uns die Zahlen genau angeschaut, und kommen zu einem anderen Ergebnis. 2008 lagen 61% der Spenden von juristischen Personen (Unternehmen, Verbände etc.) unter der Grenze von 10.000 €. D.h. sie wurden nicht namentlich genannt. 2009 waren es 63% 64% und 2010 sogar 64% 59%. Von einer „Mehrzahl“ kann daher keine Rede sein. Im Gegenteil, knapp zwei Drittel der Spenden von Unternehmen und Verbänden bleiben unter 10.000 € und damit intransparent. Bei Spenden von Privatpersonen ist der Anteil der Spenden unter 10.000 Euro noch höher.
Weniger Transparenz durch mehr Daten?
Als drittes verweist Frau Hendricks auf den Bericht einer Expertenkommission von 2001. Sie hatte sich dafür ausgesprochen, die Publikationsgrenzen nicht zu verändern. Als Hauptgrund wird genannt, dass mehr Daten die Parteienfinanzierung „komplizierter und unübersichtlicher machen würde“ und somit „kein Mehr an Transparenz“ entstehen würde. Angesichts einfacher Zugangsmöglichkeiten großer Datenmengen durch das Internet, durchsuchbare Datenbanken und Visualisierungen erscheint dieses Argument reichlich antiquiert.
Außerdem, so das Argument, würde eine Herabsetzung der Obergrenzen die Spendenbereitschaft senken. Wie schon Frau Wölk in der OP, bewertet Frau Hendricks damit das finanzieller Interesse der SPD höher als den Wunsch der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz. Fälle wie der Glückspiel-Unternehmer Gauselmann zeigen, wie die hohen Veröffentlichungsschwellen zur Verschleierung von Parteispenden genutzt werden.
Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), bei der auch Deutschland Mitglied ist, kommt deshalb auch zu einem anderen Ergebnis als die Expertenkommission von 2001. 2009 hatte GRECO 20 Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung und Parteienfinanzierung an Deutschland gerichtet. Darin wird unter anderem empfohlen, die Offenlegungsgrenzen bei Parteispenden zu senken. Diese Empfehlungen dürften auch Frau Hendricks bekannt sein; leider wurden sie nicht berücksichtigt.
Ungenügende Zugeständnisse
Wie schon die fehlende Antwort von Frau Wölk, zeigt jetzt auch diese Antwort ein fehlendes Problembewusstsein und eine geringe Handlungsbereitschaft der SPD. Der äußerst vage Hinweis am Ende, man sei „offen für eine Herabsetzung der Veröffentlichungsgrenzen“ und es sei „durchaus vorstellbar“, die Obergrenzen für die sofortige Veröffentlichung zu verringern, ist zu wenig nach all den abwehrenden Argumenten der SPD-Schatzmeisterin vorher.
Aktiv werden
Die Bundesregierung will die GRECO-Empfehlungen für mehr Transparenz nicht umsetzen. Der Europarat hat sie deshalb verwarnt und Merkel eine letzte Frist bis zum 30. Juni gesetzt. Wir machen jetzt Druck auf Angela Merkel, endlich ihre Blockade bei Parteispenden und Korruptionsbekämpfung zu beenden. Unterschreiben Sie jetzt unseren Appell an Bundeskanzlerin Merkel!
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