Die AfD muss weitere 577.000 Euro Strafe zahlen, weil sie gegen das Parteienrecht und dessen Transparenzregeln verstoßen hat. Die Bundestagsverwaltung hat in den letzten Wochen drei weitere Strafbescheide erteilt. Diese betreffen die Spenden für Alice Weidel, eine Parteiveranstaltung von Marcus Pretzell- und die Verteilung des Deutschland-Kurier durch die AfD. Insgesamt muss die AfD bislang knapp 1 Mio. Euro Strafe wegen illegaler oder nicht offen gelegter Parteispenden zahlen. Es ist gut, dass illegale Parteispenden und verdeckte Wahlkampfhilfe nicht straffrei bleiben. Die Aufarbeitung des AfD-Spendenskandals geht langsam weiter. Doch es bleiben ungeklärte Fragen. Die AfD selbst hat bisher keine Konsequenzen aus den illegalen Parteispenden und dem Fehlverhalten führender Funktionärinnen und Funktionäre gezogen.
Der prominenteste neue Strafbescheid betrifft die Schweizer Spenden für den Kreisverband der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. Die Spenden liefen über eine Schweizer Pharmafirma. Da die Spende aus dem Nicht-EU-Ausland kam, ist sie illegal. Die Pharmafirma diente aber nur als Strohfirma zur Verschleierung des wahren Spenders. Nach verschiedenen Medienberichten handelt es sich dabei mutmaßlich um den Milliardär Henning Conle. Hinweise auf ihn ergaben sich aus nachträglich eingereichten angeblichen Spenderlisten, auf denen sich laut den Recherchen auch Strohleute befanden. Der Zahlungsbescheid bestätigt laut NDR, WDR und SZ nun, dass das Geld von Conle kam. Als die AfD das Geld später zurück überwiesen hat, sei das Geld von dem Schweizer Konto nicht an Conle zurück geflossen, sondern „in mehreren Transaktionen mit diversen Verwendungszwecken an verschiedene Personen beziehungsweise Konten überwiesen" worden. Das wirft die spannende Frage auf, was mit dem Geld danach geschah.
Für diese Weidel-Spenden muss die AfD nun 396.000 Euro Strafe zahlen. Das ist die höchste Strafe in dem ganzen Spendenaffären-Komplex. Die AfD hat angekündigt, gegen die Strafe klagen zu wollen. Allerdings spricht die Rechtslage deutlich gegen die Partei (siehe dazu auch unsere Fragen und Antworten von November 2018).
Neben den Weidel-Spenden bewertet die Bundestagsverwaltung die Unterstützung der Schweizer PR-Agentur Goal AG für eine Veranstaltung des damaligen AfD-Politikers Marcus Pretzell als illegal. Die Goal AG hatte den Großteil der Kosten für eine von Markus Pretzell organisierte Veranstaltung im Februar 2016 übernommen. Dabei waren AfD- und FPÖ-Politiker gemeinsam in Düsseldorf aufgetreten. Die AfD behauptet, diese Veranstaltung sei keine Parteiveranstaltung gewesen. Doch sie wurde sehr wohl als AfD-Event samt AfD-Logo vermarktet und öffentlich auch als solche wahrgenommen. Die AfD soll deshalb 108.000 Euro Strafe zahlen.
Klein, aber brisant: Strafe für Deutschland-Kurier
Der dritte Strafbescheid fällt mit 72.000 Euro vergleichsweise gering aus. Aber langfristig ist er durchaus heikel für die AfD. Es geht um den Deutschland-Kurier, den die AfD in Bayern und Hessen kostenlos verteilt hat. Mit dieser Wahlzeitung machte ein dubioser Briefkasten-Verein Wahlwerbung für die AfD, ohne seine Finanzierung offen zu legen. Neben dem Deutschland-Kurier organisierte der Verein große Plakataktionen vor Wahlterminen, veröffentlichte Videos und schaltete Online-Werbung. Insgesamt dürften so zweistellige Millionenbeträge verdeckt für AfD-Wahlwerbung geflossen sein. Die AfD hat immer bestritten mit dem Verein zusammenzuarbeiten. Diese Abgrenzung ist rechtlich wichtig. Denn im Fall einer Zusammenarbeit könnte die Wahlwerbung des Briefkasten-Vereins der AfD als Parteispende zugerechnet werden. Dann würden die Regeln des Parteienrechts hinsichtlich Offenlegung und Verbot anonymer Spenden gelten.
Im Falle des Deutschland-Kuriers in Bayern und Hessen belegten Recherchen, dass die AfD kostenlose Examplare des Deutschland-Kuriers erhalten und verteilt hatte. Dies wertet die Bundestagsverwaltung nun als Zusammenarbeit. Die kostenlosen Exemplare hätte die AfD deshalb als Parteispende verbuchen müssen. Weil das nicht erfolgt sei, muss sie nun Strafe zahlen.
Damit ist das erste Mal eine Zusammenarbeit von AfD und dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ bestätigt. Die AfD hat die Strafe laut Tagesschau Online bereits akzeptiert. Dabei dürfte es aber nicht bleiben. Denn die AfD hat den Deutschland-Kurier auch in anderen Bundesländern verteilt. Die Zeit hatte 2019 etwa über die Verteilung des Deutschland-Kuriers in Thüringen berichtet. Correctiv und Frontal21 berichten über Fälle in NRW. Auch WDR und NDR gehen von weiteren Fällen aus. Das deckt sich auch mit unserer Einschätzung. Das heißt, hier könnte etwas nachkommen. Damit steigt das Risiko für die AfD, dass mehr Wahlwerbe-Aktivitäten des Vereins am Ende der AfD zugerechnet werden könnten und die Strafzahlungen nochmal steigen.
Millionenstrafe, aber fehlende Aufklärung und Konsequenzen
Insgesamt sind nun in den wesentlichen Strängen der AfD-Spendenaffäre Strafzahlungen verhängt worden. Bereits 2019 wurde die Wahlkampfhilfe der Goal AG für Parteichef Jörg Meuthen und Guido Reil als illegale Parteispende eingestuft. Der Strafbescheid gegen Meuthen wurde im Januar gerichtlich bestätigt. Die AfD muss bislang knapp eine Million Euro Strafe zahlen. Bei dem Wahlwerbe-Verein betrifft die Strafe bislang nur einen kleinen Teil der verdeckten Wahlwerbung. Möglicherweise könnte sich das noch ändern. An dieser Stelle sind zudem wichtige Fragen offen, insbesondere zur Herkunft der Gelder. Bislang ist unbekannt, woher die Millionen für die verdeckten Wahlkampfhilfe des Vereins kamen.
Klar ist, dass die Schweizer PR-Agentur Goal AG eine zentrale Rolle in dem ganzen Spendenskandal spielt. Dies bestätigten jüngst Aussagen von Marcus Pretzell nach seinem Strafbescheid. Danach habe er den Chef der Goal AG, Alexander Segert, bereits im Mai 2015 getroffen. Bei dem ersten Treffen habe dieser ein persönliches Konzept überreicht, „Für erfolgreiche und nachhaltige Wahlen – ein Angebot an die AfD in Nordrhein-Westfalen“. Danach habe es weitere Treffen in Straßburg gegeben. Hier zeigt sich, dass hinter dem AfD-Spendenskandal länger entwickelte Kontakte und Vernetzungen stehen. Die Verteidigungsstrategie der AfD, man habe damit als Partei in wesentlichen Punkten nichts zu tun, erweist als immer löchriger.
Zugleich weigert sich die Partei, selbst Konsequenzen zu ziehen. Parteichef Jörg Meuthen blieb trotz illegaler Parteispenden im Amt, auch nach der gerichtlichen Bestätigung der Strafzahlungen. Bei Alice Weidel dürfte es ähnlich laufen. Man wettert gerne gegen die angeblichen „Altparteien“, sorgt aber selbst nicht für Aufklärung oder Konsequenzen. Ausgestanden ist der Skandal für die Partei noch nicht.
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