„Die Regierungsdelegationen dürfen keine Vertreter:innen von Unternehmen aufnehmen, deren Geschäftsmodelle direkt den Klimaschutz untergraben“, fordert Nina Katzemich, politische Campaignerin von LobbyControl. „Bei der COP28 im letzten Jahr in Dubai saßen erneut Vertreter:innen fossiler Unternehmen wie Exxon oder BP mit am Tisch – darunter in den Delegationen von Italien, Frankreich und der EU. Dadurch hatten Lobbyist:innen direkten Zugang zu politischen Entscheidungsträger:innen.“
Mit 2.456 Vertreter:innen waren 2023 allein aus der fossilen Brennstoffindustrie fast 900 mehr Lobbyistinnen anwesend als Delegierte der zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zusammen. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Stimmen derjenigen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, aufgrund der übermächtigen Präsenz der Lobbyist:innen kein Gehör finden“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer der entwicklungspolitischen und humanitären Organisation Aktion gegen den Hunger.
In einem offenen Brief fordern acht Organisationen* die Bundesregierung daher auf, in ihrer Delegation keine Vertreter:innen von fossilen und agrarindustriellen Unternehmen mitzunehmen – auch nicht über sogenannte Party Overflow Badges. Auch in neun weiteren europäischen Ländern und auf EU-Ebene richten Organisationen diese Forderung an ihre Regierungen, um sicherzustellen, dass Klimaverschmutzer keinen privilegierten Zugang zur COP genießen. Koordiniert wird diese Kampagne vom "Fossil Free Politics"-Netzwerk.
Keine Lobby-Einbindung durch die Hintertür
Neben dem Ausschluss von Lobbyist:innen aus den Delegationen fordern die Organisationen zudem, die Klimaverhandlungen deutlicher von den Interessen großer Konzerne abzugrenzen. Besonders kritisch sehen die Organisationen dabei die starke Einbindung von Unternehmen in die Initiativen der COP-Präsidentschaft, wie beispielsweise im vergangenen Jahr die Action Agenda on Regenerative Landscapes sowie Aim For Climate Initiative und aktuell die Baku Harmoniya Climate Initiative.
Besonders besorgt ist der NGO-Zusammenschluss über die Rolle der Gastgebernation Aserbaidschan. Der diesjährige Präsident der COP29, Mukhtar Babayev, war bis 2010 Vizepräsident des staatlichen Öl- und Gaskonzerns SOCAR. Zudem scheint SOCAR eng in die COP involviert zu sein, da sein Präsident und Mitglieder seines Aufsichtsrats bei der Organisation der Konferenz mitwirken. Der Präsident von SOCAR wurde bereits bei der Vermischung von COP- und Unternehmensgeschäften beobachtet, als er neue Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Partnern unterschrieb. Dies zeigt eine Recherche von Transparency International und dem Anti-Corruption Data Collective.
Dies wirft erhebliche Fragen hinsichtlich der Unabhängigkeit der Konferenz auf. „Es muss sichergestellt werden, dass die Leitung der Konferenz frei von den Interessen der fossilen und agrarindustriellen Lobbys ist“, betont Margarete Bause, stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland.
Um den sozialverträglichen Strukturwandel weg von Kohle, Öl und Gas sowie den Ausbau eines klimagerechten Ernährungssystems voranzutreiben, muss zudem die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden. Besonders wichtig dabei ist ein systematischer internationaler Erfahrungsaustausch und wechselseitiges Lernen frei von Interessenskonflikten. „Wer in Baku und bei künftigen COPs am Tisch sitzen sollte, sind die staatlichen Akteure, die sich von fossilen Geschäftsmodellen befreien wollen und nicht diejenigen, die sie verlängern wollen“, so die NGO-Allianz.
Vorsicht vor Scheinlösungen der fossilen und agrarindustriellen Unternehmen
Die Interessen der fossilen Industrie sind untrennbar verbunden mit denen großer Agrarkonzerne. „Sowohl die fossile Energie- als auch die Agrarindustrie nutzen ihren Einfluss, um Scheinlösungen voranzutreiben, die als klimafreundlich präsentiert werden, aber oft nicht zu echten Emissionsreduktionen führen. Ihre Geschäftsmodelle begünstigen sich dabei oft gegenseitig“, sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust von Aktion gegen den Hunger. „Beispiele dafür sind die Herstellung von synthetischem Dünger auf Basis von energieintensivem ‚grünen‘ Wasserstoff sowie Technologien zur Kohlenstoffabscheidung“, so Friedrich-Rust. Diese „Greenwashing“-Strategien lenken von echten, nachhaltigen Lösungen ab, die den am stärksten betroffenen Gruppen zugutekommen würden, wie zum Beispiel Agrarökologie und erneuerbare Energien.
Strukturwandel vorantreiben, statt alte Abhängigkeiten pflegen
Zusammen rufen die Organisationen die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen der COP29 frei von den Interessen der fossilen und agrarindustriellen Konzerne geführt werden. Für den Ausstieg aus Gas und Öl sowie für ein klima- und sozial gerechtes Ernährungssystem braucht es Abstand von fossiler und agrarindustrieller Lobby.
Unterzeichnende der Pressemitteilung
ADRA
Aktion gegen den Hunger
INKOTA
LobbyControl
Transparency International Deutschland e.V.
ROBIN WOOD
*Unterzeichnende des offenen Briefes
ADRA
Aktion gegen den Hunger
BUND
BUNDJugend
INKOTA
LobbyControl
Transparency International Deutschland e.V.
ROBIN WOOD
Hinweise zur Methodik
- Hier finden Sie den offenen Brief.
- Mehr zum Thema finden Sie in unserem Blog "UN-Klimakonferenz: Wie die fossile Lobby Einfluss nimmt".