Gestern hat der Europäische Rechnungshof einen Bericht zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) durch die EU veröffentlicht. Der Bericht befasst sich unter anderem mit der Frage, ob NGOs transparenter machen sollten, dass sie mit EU-Geldern auch Lobbyarbeit gegenüber EU-Institutionen betreiben. LobbyControl kritisiert, dass der Bericht NGOs einseitig in den Blick nimmt und unsachliche Kritik von Akteuren übernimmt.
Nina Katzemich, Expertin für EU-Lobbyregulierung bei LobbyControl, kommentiert:
„Dieser Bericht des Europäischen Rechnungshofs lässt uns irritiert zurück. Er greift irreführende Erzählungen auf, die konservative EU-Abgeordnete wie Monika Hohlmeier seit Monaten im Parlament verbreiten, um NGOs zu diffamieren und zu diskreditieren. Dabei skandalisiert der Bericht, dass NGOs mit EU-Geldern auch Lobbyarbeit betreiben. Der Bericht lässt die Transparenz von Unternehmen oder anderen Verbänden, die ebenfalls EU-Gelder erhalten, völlig außen vor. Es ist widersprüchlich, den Umgang mit EU-Geldern von NGOs zu kritisieren und gleichzeitig auszublenden, dass auch wirtschaftliche Lobbyakteure öffentliche Gelder erhalten und damit Lobbyarbeit betreiben. Es entsteht der klare Eindruck, dass sich die Berichterstattung zu stark von den lautstarken Kampagnen rechter und rechtspopulistischer Parteien im EU-Parlament gegen ihnen missliebige Organisationen haben beeinflussen lassen. Von einer neutralen Behörde hätten wir mehr Sachlichkeit und gründliche Recherche gewünscht."
Der Bericht kritisiert ebenso, dass NGOs transparenter hätten machen sollen, dass sie mit öffentlichen Geldern auch Lobbyarbeit betreiben.
„NGOs haben in ihren Finanzierungsvereinbarungen gegenüber der Kommission deutlich gemacht, dass sie von dem Geld auch Lobbyarbeit gegenüber Parlament und Kommission betrieben haben. Wir finden: Es ist richtig und sinnvoll, dass zivilgesellschaftliche Organisationen für ihre Lobbyarbeit öffentliche Gelder erhalten. Dazu hat sich die EU mehrfach bekannt. Die größten 50 Unternehmen geben in Brüssel jährlich fast 200 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus. Als Korrektiv gegenüber dieser Lobbyübermacht braucht es unbedingt auch Akteure, die sich für ideelle Interessen wie Umwelt-, Verbraucherschutz oder Menschenrechte einsetzen.“
Auch das Unternehmen BayWa, bei dem Monika Hohlmeier eine gut dotierte Nebentätigkeit in Höhe von jährlich 75.000 Euro innehat, erhält Millionengelder aus demselben EU-Fonds wie die Umweltorganisationen, um die es hier geht. In ihrer Finanzierungsvereinbarung schreibt BayWa laut dem Investigativportal „Follow the Money“: Das Unternehmen werde die ‚politischen Entscheidungsträger’ für ‚restriktive Vorschriften’ sensibilisieren, die seine wirtschaftlichen Ziele ‚behindern’ würden.
„Der Bericht des Rechnungshofs thematisiert auch die Frage, ob NGOs, die EU-Gelder erhalten, genügend darauf überprüft werden, ob sie die Werte der EU achten und unterstützen. Auch hier muss man wissen, dass genau diese Forderung schon bei früheren Anti-NGO-Kampagnen aufgeworfen wurde. Allen voran vom früheren CDU-Abgeordneten Marcus Pieper, der im gleichen Atemzug forderte, handelskritische Organisationen nicht mehr mit EU-Geldern zu unterstützen. Die EU-Institutionen können hinterfragen, ob alle Akteure, die Gelder erhalten, die grundlegenden Werte der EU wie Demokratie, Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit achten. Das muss aber dann für alle Akteure gelten, auch die wirtschaftlichen“, so Nina Katzemich.
Wichtige Verbesserungsvorschläge im Bericht vorhanden
Der Bericht kritisiert zu Recht, dass es keine eindeutige EU-weite Definition dafür gibt, was eine NGO eigentlich charakterisiert. So stufen sich auch im Brüsseler Lobbyregister immer wieder Organisationen selbst als NGOs ein, die nach Einschätzung von LobbyControl keine sind, weil sie vor allem Geschäftsinteressen vertreten – wie beispielsweise die Bertelsmann Stiftung oder der irische Bauernverband.
„Hier eine Klarheit und Rechtssicherheit mit einem europäischen Vereinsstatus zu schaffen, können wir nur unterstützen“, so Katzemich. „Der Bericht geht insgesamt unsensibel mit der politischen Situation um, in der wir uns derzeit befinden. Extrem rechte, aber auch konservative Parteien wie CDU/CSU machen europa- und weltweit Druck auf die Zivilgesellschaft und versuchen, sie zu schwächen. Dies wurde von den Autor:innen des Berichts nicht ausreichend hinterfragt.“
Hintergrund
Bericht des Europäischen Rechnungshofs
Unser Blogartikel zur Kampagne der EVP gegen die Zivilgesellschaft
Artikel von Follow the Money zu BayWa und Monika Hohlmeier