Der Lobbyverband Wirtschaftsrat hat rein formal keine Verbindung zur CDU – erhält aber dennoch privilegierte Zugänge zur Parteispitze. Wirtschaftsratspräsidentin Astrid Hamker nimmt an nahezu jeder Vorstandssitzung teil. Keine andere gesellschaftliche Gruppe hat solch privilegierte Zugänge ins Machtzentrum einer Partei. Der Dauergaststatus des Wirtschaftsrats widerspricht zudem den Regeln des Parteiengesetzes. Besondere Brisanz und Aktualität hat der Fall, weil Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz jahrelang Spitzenfunktionen im Wirtschaftsrat innehatte.
Einseitige Privilegien für die Wirtschaftslobby
„Zu Recht verbietet das Parteiengesetz, dass Lobbyverbände dauerhaft in Parteivorständen mitreden dürfen. Doch Parteichef Merz missachtet diese wichtigen demokratischen Regeln und verschafft einer ohnehin mächtigen gesellschaftlichen Gruppe einseitige Vorteile. Wir fordern Parteichef Merz auf, den Wirtschaftsrat endlich aus dem Vorstand zu entlassen und den Parteivorstand rechtskonform aufzustellen“, sagt Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl.
Intransparente Geldflüsse im Umfeld der CDU
Der Wirtschaftsrat wurde in den 1960er Jahren von den damaligen Schatzmeistern der Partei gegründet, damit die CDU Unternehmensgelder an den Parteikassen und Finanzämtern vorbei einnehmen kann. Dazu sagt Christina Deckwirth: „Konzerne wie Amazon, Coca-Cola oder Deutsche Bank sponsern den Wirtschaftsrat. Mit Lobbyausgaben in Höhe von über fünf Millionen Euro zählt der Verein zu den größten Lobbyverbänden in Deutschland. Doch trotz seiner übergroßen Nähe zur CDU muss der Wirtschaftsrat seine Finanzierung nicht offenlegen. Damit ist der Wirtschaftsrat ein Einfallstor für intransparente Geldflüsse im Umfeld der Partei. Das ist gerade jetzt im Wahlkampf höchst problematisch.“
Luke Neite, Kläger in dem Verfahren und CDU-Mitglied sagt: „Friedrich Merz ist Kanzlerkandidat der Lobby-Herzen. Sein früheres Amt als Vizepräsident des Wirtschaftsrats macht die ungesunde Nähe allzu deutlich. Die CDU sollte nicht länger dulden, dass dieser Lobbyverband so dreist unsere innerparteiliche Demokratie unterläuft. Es freut mich, dass das Gericht jetzt die Möglichkeit hat, den Lobbyverband aus dem Vorstand zu werfen. Das Urteil kommt hoffentlich rechtzeitig, bevor die CDU im Februar zur Regierungspartei werden könnte.“
Die Protestaktion findet am Freitag, 06.12.2024, um 10 Uhr statt. Die Gerichtsverhandlung beginnt um 10:30 Uhr.
Ort: Landgericht Berlin II, Tegeler Weg 17-21, Haupteingang, Verhandlung im Saal 109
Hintergrund
Laut einem Rechtsgutachten, das LobbyControl 2022 in Auftrag gegeben hatte, ist der Gaststatus des Wirtschaftsrats rechtswidrig. Das hatte auch die renommierte Parteienrechtlerin Sophie Schönberger gegenüber dem Deutschlandfunk bestätigt. LobbyControl selbst ist nicht klageberechtigt, unterstützt aber die Klage eines CDU-Mitglieds gegen seinen Parteivorstand. Das CDU-Parteigericht hatte diese Rechtsauffassung ebenfalls als „vertretbar“ bezeichnet, die Klage aber aus formalen Gründen abgelehnt. Das Landgericht verhandelt nun erstmals öffentlich über den Fall.