Das EU-Parlament hatte bereits nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen mehrere Abgeordnete und Parlamentsmitarbeitende im Dezember schnell reagiert und umfassende Reformen angekündigt. Nun folgen mit dem 14-Punkte-Papier von Metsola zügig konkrete weitere Schritte.
„Auch wenn viele der vorliegenden Vorschläge noch vage bleiben und Fragen offenlassen, verdient es Anerkennung, wie das EU-Parlament bisher auf den im Dezember bekannt gewordenen Korruptionsskandal reagiert. Die nun zügig vorgelegten Reformvorschläge weisen in die richtige Richtung und greifen viele unserer Forderungen auf, sie können aber sicherlich noch nicht das letzte Wort sein. Eine umfassende Verschärfung des Verhaltenskodizes für Abgeordnete muss ebenso folgen wie eine Stärkung des EU-Lobbyregisters, damit es wirklich verpflichtend wird“, sagt Timo Lange von LobbyControl.
Metsola selbst schreibt in dem Papier, dass dies nur der Startpunkt für eine umfassende Reform des Parlaments sei. „Das Parlament muss das durch den Skandal schwer beschädigte Vertrauen in seine Integrität nun schnell wiederherstellen, Metsola scheint das verstanden zu haben“, so Lange.
Lobbyverbot: Karenzzeit für Abgeordnete geplant
Zu den weitreichendsten Vorschlägen gehört ein zeitlich begrenztes Lobbyverbot für ehemalige Abgeordnete. Demnach sollen sich Ex-Abgeordnete in der Zeit, in der sie Übergangsgelder erhalten, nicht im EU-Transparenzregister eintragen dürfen. Eine Lobbytätigkeit wäre dann jedenfalls erschwert, ohne bereits an dieser Stelle Regeln zu brechen.
„Wenn das wirklich so kommt und auch entsprechend durchgesetzt wird, wäre das tatsächlich ein erster Schritt zu einer auf Lobbyjobs zielenden Karenzzeit für Abgeordnete, die auch für die Mitgliedstaaten wegweisend wäre. Entscheidend ist aber, dass dann das Register auch so aufgestellt ist, dass Regelbrüche tatsächlich geahndet werden können“, so Lange.
Keine Zugangsprivilegien für Ex-Abgeordnete
Weiterhin sollen die Zugangsprivilegien zum EU-Parlament für ehemalige Abgeordnete gestrichen werden und sie sollen auch nicht mehr weiteren Personen so einfach den Zugang ermöglichen können. Auch das ist aus Sicht von LobbyControl sinnvoll und sollte auch für den Bundestag zum Vorbild dienen.
„Wir sehen sowohl im europäischen als auch im deutschen Parlament immer wieder, wie Ex-Abgeordnete ihre Privilegien für Lobbyarbeit nutzen. Diese Ungleichbehandlung gegenüber anderen Interessenvertretern ist problematisch und sollte in Brüssel genau so wie in Berlin beendet werden.“
Lobbytermine offenlegen
Zudem sollen laut dem uns vorliegenden Papier künftig alle Abgeordneten ihre Lobbytermine veröffentlichen, bisher gilt das nur für Abgeordnete in bestimmten Positionen – ein wichtiger Schritt für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit. Um fragwürdige Lobbyarbeit auch von Drittstaaten zu erschweren, sollten allerdings wirklich alle Lobbytreffen einbezogen sein, nicht nur solche zu Resolutionen oder Berichten.
Unabhängiges Aufsichtsgremium
„Das sind durchaus zum Teil weitreichende Vorschläge, die Metsola hier macht. Entscheidend wird aber sein, dass die Regeln und Vorschriften auch effektiv kontrolliert und durchgesetzt werden, gerade hier haperte es in der Vergangenheit zu oft“, sagt Lange.
In dieser Hinsicht kündigt das Papier an, die bereits bestehende Beratungsgremium zu stärken. Zugleich hält das Parlament an dem Plan fest, mit einem neuen unabhängigen Ethikgremium die Aufsicht über die Regeln strukturell neu aufzustellen.
Was fehlt: strengere Verhaltensregeln
LobbyControl begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen, mahnt aber zugleich weitere Schritte an: „Wir brauchen eine umfassende Verschärfung der Verhaltensregeln für EU-Abgeordnete, insbesondere sollte es verpflichtende Transparenz über Vermögenswerte geben, das ist bislang noch eine große Lücke und wäre für die Korruptionsbekämpfung besonders wichtig“, betont Lange. „Zudem sollten Abgeordnete, die nebenher freiberuflich tätig sind, Angaben zu Geschäftspartnern machen, wie es die Regeln für Bundestagsabgeordnete bereits vorsehen. Das ist sonst ein riesiges Einfallstor für unsichtbar bleibende Interessenkonflikte.“
LobbyControl fordert zudem die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Korruptionsaffäre. Einen solchen hatte das Parlament in einer Resolution zwar bereits im Dezember angekündigt, im Metsola-Papier findet das Vorhaben nun aber keine Erwähnung.
„Zwar steht das Parlament im Fokus des Skandals über mögliche illegale Einflussnahme aus Katar und Marrokko. Aber die EU insgesamt und auch die Mitgliedsstaaten müssen ihre Abwehr- und Präventionsmechanismen gegen illegitime Einflussnahme stärken und ihre Hausaufgaben machen“, so Lange.
Die wichtigsten LobbyControl-Forderungen zum Skandal im Überblick:
- Schaffung eines unabhängigen Ethikgremiums mit Untersuchungskompetenzen für die EU-Institutionen
- Wirksame Durchsetzung und Ausweitung des Europäischen und der nationalen Lobbyregister
- Offenlegung der Lobbytreffen von EU-Abgeordneten und der Arbeitsebene der EU-Kommission
- Ausweitung der Erklärung finanzieller Interessen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf Informationen zu Vermögen, Beteiligungen, Transparenz über Klienten oder Kunden bei Beratungstätigkeiten
- Beendigung der Privilegien von Ex-Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Ex-Kommissaren (etwa Entziehung des Zugangs zu Parlament und Kommission)
- Verhinderung von Wahlkampfbeeinflussung: Parteienfinanzierung, politische Werbung und Drittkampagnen regeln
- Stärkung des Whistleblower-Schutzes im Europäischen Parlament.
- Stärkung von Aufsichts- und Ermittlungsbehörden mit ausreichend Personal und Kompetenzen (OLAF, Europäische Staatsanwaltschaft)
- Schärfung des Straftatbestands zur Abgeordnetenbestechung in Deutschland
Hintergrund
Anfang Dezember letzten Jahres wurden die Ermittlungen der belgischen Behörden gegen aktive und ehemalige EU-Abgeordnete sowie Mitarbeitende des Parlaments bekannt, denen vorgeworfen wird, Bestechungsgelder von Marokko und Katar angenommen zu haben. Es wurden große Summen Bargeld gefunden, unter anderem in der Wohnung der damaligen Vize-Parlamentspräsidentin Kaili. Kaili wurde daraufhin als Vizepräsidentin abgesetzt und aus ihrer Partei und Fraktion ausgeschlossen. Sie und ihr Mann, der als Assistent im Parlament arbeitete, sitzen seither in Untersuchungshaft. Mehr zu den Hintergründen und nötigen Konsequenzen hier.
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