Pressemitteilung

Neu beschlossenes EU-Ethikgremium: Eine verpasste Chance!

Nach jahrelangen Debatten mit der EU-Kommission hat das EU-Parlament heute ein Ethikgremium verabschiedet. Das aus Vertreter:innen der sieben beteiligten Institutionen* und fünf unabhängigen Expert:innen zusammengesetzte Gremium soll bei der Erarbeitung von Ethikstandards mithelfen. Es hat jedoch keine Möglichkeit, die Einhaltung von Ethikregeln eigenständig zu kontrollieren oder diese durchzusetzen. 

von 25. April 2024

Nina Katzemich, EU-Campaignerin bei LobbbyControl erklärt dazu: „Dieses Gremium ist wirklich eine verpasste Chance: Die einst weitgehenden Vorschläge des EU-Parlaments für eine unabhängige Kontrollbehörde sind so gut wie nicht mehr zu erkennen. Ursula von der Leyen hatte bei ihrem Antritt ein Wahlversprechen für ein Ethikgremium für alle Institutionen abgegeben – doch dann hat die Kommission das Vorhaben erst bis zur letzten Minute hinausgezögert und dann versucht, das Gremium von jeder Durchsetzungskraft zu entkernen.“

Ethikregeln wie beispielsweise zum Umgang mit Interessenkonflikten können ein wirksames Mittel zur Korruptionsprävention sein. Aber dafür müssen sie auch kontrolliert werden und bei Verstößen sollte es Sanktionen geben. Das ist derzeit in der EU nicht der Fall: Jede Institution hat ihre eigenen Regeln und kontrolliert die Einhaltung selbst. Wie die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, funktioniert diese Selbstkontrolle überhaupt nicht. Kolleg:innen, die eng zusammenarbeiten, sind in der Regel eher unwillig, sich gegenseitig streng zu prüfen und zu sanktionieren.

„Korruptionsskandale wie Katargate machen deutlich: Wenn Verstöße gegen die Ethikregeln niemals sanktioniert werden, haben Lobbyist:innen, die mit unlauteren Mitteln Einfluss auf die EU nehmen wollen, leichtes Spiel. Es ist unsinnig, dass es am Ende nun allen Erkenntnissen zum Trotz bei einem System der Selbstkontrolle bleibt. Was es braucht, ist eine unabhängige Kontrollbehörde, die die Untersuchung von Verstößen und Durchsetzung der Regeln anstelle der Institutionen übernimmt“, kritisiert Katzemich. 

Was heute beschlossen wurde, ist aus Perspektive von LobbyControl daher nicht weitreichend genug: Zwar dürfen erstmals unabhängige Expert:innen mitdiskutieren, welche ethischen Minimumstandards gelten sollten. Prüfung und Durchsetzung bleibt aber den einzelnen Institutionen überlassen. Nur wenn diese es als sinnvoll erachten, können sie im Einzelfall das neue Ethikgremium um Rat fragen. Seine Empfehlungen können sie dann aber in der Schublade verschwinden lassen.

„Damit wird ein weiteres zahnloses beratendes Gremium geschaffen, anstatt die Kontrolle und Durchsetzung zu stärken,“ erklärt Nina Katzemich. „Ob daraus irgendwann in der Zukunft ein starkes Kontrollgremium werden kann, steht in den Sternen. Wir fordern eine echte Lobbybehörde mit Zähnen, die für alle Bereiche der Lobbyregeln zuständig ist: Die Beaufsichtigung des EU-Transparenzregisters ebenso wie die Einhaltung der Verhaltensregeln in den verschiedenen Institutionen. Dazu gehört z. B. die Prüfung von finanziellen Interessenerklärungen oder das Überprüfen von potenziellen Interessenkonflikten, z. B. bei Nebentätigkeiten. Ein derartiges Gremium würde Ressourcen bündeln und Bürokratie abbauen. Anstatt vieler einzelner Kontrollgremien und komplizierter Zuständigkeitsfragen gäbe es nur eine Lobbybehörde, die für alles zuständig ist.“

Andere Länder, vor allem Frankreich, gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Mit einem Rechtsgutachten will LobbyControl im kommenden Jahr zeigen, wie etwas ähnliches in der EU umsetzbar wäre.

Hintergrund

  • LobbyControl Petition für eine Lobbykontrolle mit Biss
  • Die Resolution des EU-Parlaments aus dem Jahr 2021 für ein Ethikgremium hatte LobbyControl bereits hier kommentiert
  • *Die sieben beteiligten Institutionen sind: (1) das Europäische Parlament, (2) die Europäische Kommission, (3) der Gerichtshof der Europäischen Union (als Beobachter ohne Teilnahme an Entscheidungen), (4) die Europäische Zentralbank, (5) der Rechnungshof, (6) der Wirtschafts- und Sozialausschuss und (7) der Ausschuss der Regionen.
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