Köln/Berlin, 26. Oktober 2021 – Mit teuren Werbekampagnen versucht Facebook seinen beschädigten Ruf zu verbessern und die Debatte über strengere Regeln für Internetplattformen zu beeinflussen. Dafür hat das Unternehmen seit Dezember 2020 – seit Beginn der Debatten um neue Regeln für digitale Plattformen in Brüssel – alleine in Deutschland Printwerbung im Wert von etwa 6,8 Mio. € (Bruttowerbeausgaben) geschaltet. Das haben Berechnungen von LobbyControl ergeben.
Facebook steht weltweit massiv unter Druck: Während beinahe täglich neue Enthüllungen den Ruf des Unternehmens nachhaltig beschädigen, wird in Brüssel über strengere Regeln für Internetplattformen beraten. Mit dem sogenannten Digital Services Act und dem Digital Markets Act sollen neue verbindliche Regeln für Internetplattformen geschaffen und der Machtmissbrauch durch Facebook, Google, Amazon & Co. verhindert werden. Dagegen wehren sich die Internetplattformen mit geballter Kraft.
Neben Rekordausgaben für Lobbyarbeit in Brüssel (2019: 4,3 Mio. €, 2020: 5,5 Mio. €) setzt Facebook dabei auf groß angelegte Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland.
Millionenschwere Ausgaben für Image-Werbung
Wie viel Geld Facebook dafür in die Hand nimmt, zeigen jetzt Berechnungen von LobbyControl. Demnach hat Facebook in den letzten 12 Monaten alleine in Deutschland Image-Werbung im Wert von etwa 6,8 Mio. € in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Dabei handelt es sich um die Bruttowerbeausgaben und nicht um den von Facebook tatsächlich aufgewendeten Betrag. Die Zahlen beruhen auf Erhebungen von AdVision digital, einem Dienstleister für Werbemarktanalysen.
„Es ist besorgniserregend, wie groß das Budget von Facebook ist, um Politik und Öffentlichkeit zu beeinflussen. Facebook investiert Millionen, um strengeren Regeln für Internetplattformen zu verhindern. Die anstehenden wichtigen Weichenstellungen dürfen jedoch nicht einseitig von Konzerninteressen beeinflusst werden“, erklärt Felix Duffy, Sprecher von LobbyControl.
Facebook hat in den letzten zwölf Monaten in Deutschland drei unterschiedliche Motiv-Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften geschaltet. Dabei handelt es sich nicht um Produktwerbung, sondern um Image-Werbung, mit der das Unternehmen seinen Ruf verbessern will. Gleichzeitig hat das Unternehmen auch die Debatten um strengere Regeln für Internetplattformen auf europäischer Ebene im Blick und bezieht sich darauf teilweise indirekt.
Dabei fällt besonders die derzeit noch laufende Motiv-Kampagne mit dem Titel „Mit Facebook geht das“ auf. In unterschiedlichen Motiven bezieht sich Facebook darin auf seine positiven Auswirkung auf kleine und mittlere Unternehmen. Gleichzeitig warnt der Konzern in den Anzeigen mit drastischen Worten vor den möglichen negativen Auswirkungen zu strenger Regeln: „Wenn ich keine personalisierte Werbung machen könnte, würde ich mehr als die Hälfte meines Umsatzes verlieren“, heißt es. Und weiter „73 % der Unternehmen in der EU haben Facebook und Instagram als Starthilfe genutzt. Sie nutzen verstärkt die Plattformen der sozialen Medien, um den Umsatz zu steigern.“ Damit mischt sich Facebook direkt in die laufenden Debatten über eine mögliche Einschränkung von personalisierter Werbung ein.
Macht der großen Internetkonzerne muss begrenzt werden
Mit weiteren Motiven verweist Facebook u. a. auf seine Bemühungen gegen die Verbreitung von Falschinformationen, etwa indem eine vermeintlich positive Rolle in der Corona-Pandemie thematisiert wird. Auch während des Bundestagswahlkampfes hat Facebook mit einem Motiv auf seine Bemühungen gegen Desinformationen und für Transparenz verwiesen, um die Wahlen zu schützen. Der Umgang mit Desinformationen und verpflichtende Transparenzregeln sind beides zentrale Teile der Verhandlungen um den Digital Services Act in Brüssel.
„Die Macht der großen Internetkonzerne ist zu einer Gefahr für die Demokratie geworden. Jetzt ist es an der Zeit, Facebook & Co wirksam zu regulieren und ihre Macht zu begrenzen. Die von der EU-Kommission geplanten strengeren Regeln für Internetplattformen sind dafür eine gute Gelegenheit. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen jetzt sicherstellen, dass das geplante Gesetzespaket kein zahnloser Tiger wird“, fordert Felix Duffy. „Zudem ist mehr Ausgewogenheit beim Lobbying gegenüber der EU-Kommission und dem Parlament nötig. Hier sollten die EU-Institutionen selbst tätig werden und proaktiv Zivilgesellschaft und Wissenschaft stärker einbinden. Aber auch Digitalkonzerne selbst müssen mehr Transparenz schaffen. Facebook sollte etwa seine Ausgaben für Imagewerbung in ganz Europa offenlegen.“
Hintergrund
Um strengere Regeln zu verhindern, geben die Unternehmen der Digitalbranche in Brüssel Rekordsummen für Lobbyarbeit aus. Eine Untersuchung von LobbyContol hat kürzlich gezeigt, dass im Vergleich der 10 größten Lobbyakteure, die Digitalbranche derzeit der Sektor mit den höchsten Lobby-Ausgaben in der EU ist. Damit übertrifft sie sogar die mächtige Auto-, Pharma- oder Finanz-Lobby. Mehr hierzu finden Sie in unserer Studie „Die Lobbymacht von Big Tech: Wie Google & Co die EU beeinflussen.“
Als vergleichsweise junge Branche, die ihre Wurzeln außerhalb der EU hat, muss die Digitalbranche für Lobbyarbeit tiefer in die Tasche greifen. Im Gegensatz zur Autoindustrie unterhält sie noch keine so engen Beziehungen zu den nationalen Regierungen. Daher konzentriert sich die Digitalwirtschaft auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und nutzt dazu auch Lobbynetzwerk aus Denkfabriken, Anwaltskanzleien und Wirtschaftsberatungsunternehmen.
Facebook, Google & Co setzen in ihrer Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit gezielt darauf, eigenen Erzählungen gegen strengere Regulierung zu verbreiten und damit die Debatten zu prägen. So verweisen die großen Digitalkonzerne u. a. wiederholt darauf, dass man Bedenken über die Regulierung nur anspreche, um die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen oder Verbraucher*innen zu schützen, nicht die eigenen.
Gleichzeitig versuchen Facebook, Google & Co vordergründig den Eindruck zu erwecken, sie würden Regulierung unterstützen und fordern diese teilweise sogar lautstark ein. Ein genauer Blick zeigt jedoch, dass die Unternehmen Selbstverpflichtungen bevorzugen und sich hinter den Kulissen gegen verpflichtende Regeln aussprechen.
Weitere Informationen
Einen Überblick über die von Facebook geschalteten Motive finden Sie hier.
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