Pressemitteilung

Neue EU-Kommission: Gute Seiten, schlechte Seiten

LobbyControl bewertet die von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellten Kommissionskandidat:innen und das Arbeitsprogramm als zum Teil besorgniserregend. Dennoch gibt es eine gute Nachricht.

von 18. September 2024

Besorgniserregend Teil 1: Viele potenzielle Interessenkonflikte

Nach einem zähen Prozess musste Ursula von der Leyen offenbar viele fragwürdige Vorschläge für Kandidat:innen aus den Mitgliedstaaten annehmen. Diese sind zum Teil möglicherweise in untragbare Interessenkonflikte verwickelt.

  • Die bulgarische Kandidatin Ekaterina Sachariewa war Medienberichten zufolge in einen Skandal verwickelt, in dem mit verkauften EU-Pässen Tausenden von Nicht-EU-Bürger:innen visafreies Reisen in der EU ermöglicht wurde. 
  • Wopke Hoekstra, der niederländische Kandidat und bereits amtierende Kommissar, wurde in den Pandorra-Papers im Zusammenhang mit Offshore-Handel genannt.
  • Marta Kos aus Slowenien arbeitet als Senior Adviser bei Kreab, einer der größten Lobbyberatungsunternehmen für Großunternehmen. Zu den Firmenkunden von Kreab gehören Amazon, Google und BP, aber auch Banken und Chemiehersteller. Sie muss ganz klar ihre Kund:innen der Öffentlichkeit nennen, bevor sie Kommissarin werden kann.
  • Olivér Várhelyi ist derzeitiger Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung. Es ist fraglich, ob er die Anhörungen im Europäischen Parlament überstehen wird, da er während seiner Zeit als Kommissar an vielen Kontroversen beteiligt war. Beispielsweise bezeichnete er Abgeordnete des Europäischen Parlaments als „Idioten“. Dem Nationalisten und Vertrauten von Viktor Orbán wurde wiederholt vom Parlament vorgeworfen, bei den Erweiterungsgesprächen die Notwendigkeit demokratischer Reformen zu negieren oder den Schutz der territorialen Integrität infrage zu stellen.
  • Die zukünftige Exekutiv-Vizepräsidentin für Digitales, Henna Virkkunen, ist Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Platform Economy" von SME Connect. Der Verband gibt vor, die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu vertreten. Zu seinen Mitgliedern gehören aber auch Google, Meta und Amazon. 

Das Parlament muss diesen und weiteren Kandidat:innen sehr genau auf die Finger schauen.

Besorgniserregend Teil 2: Das Transparenz-Ressort wird aufgelöst und in ein thematisch völlig anderes Ressort eingegliedert

Es ist als symbolträchtig zu bewerten, dass es künftig keine eigenständige Generaldirektion für die Themen Werte und Transparenz geben soll. Das Thema hält Kommissionspräsidentin von der Leyen offensichtlich für weitestgehend erledigt. Auch in ihren politischen Leitlinien fand sich kein Wort über das EU-Transparenzregister oder Lobbyregeln und ihre Durchsetzung.

In Zukunft wird Kommissar Maroš Šefčovič das Thema in sein Ressort „Handel und ökonomische Sicherheit“ übernehmen. Bei einem derart wichtigen Ressort ist es nicht unwahrscheinlich, dass der zweite Bereich in seinem Ressort, „interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz“, auf der Strecke bleibt. Dies verwundert umso mehr, da die EU-Kommission als Aufgabe aus der vergangenen Wahlperiode mitnimmt, eine Ethikbehörde in Brüssel aufzubauen und das EU-Transparenzregister offiziell zu überprüfen. 

Dabei hat sich gerade in der vergangenen Wahlperiode gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Lobbyregeln und das Transparenzregister in Brüssel durchgesetzt werden. Beispielsweise beim Korruptionsskandal Katargate hat sich das Transparenzregister als machtlos erwiesen, weil die Akteure im Zentrum des Skandals schlicht am Register vorbei mit EU-Abgeordneten agiert haben. In Zeiten, in denen autoritäre Staaten bereit sind, auch mit illegalen Mitteln ihre Interessen zu verteidigen, können Ethikregeln und deren Durchsetzung ein zentrales Frühwarnsystem sein.

Erfreuliches: Ein zentrales Schlupfloch des Transparenzregisters wird geschlossen

Ein erfreuliches Ergebnis ist aber, dass von der Leyen Kommissar Šefčovič aufgetragen hat, „die Anforderungen des Transparenzregisters auf alle Führungskräfte auszuweiten“. Damit übernimmt sie eine langjährige Forderung von LobbyControl: Alle Führungskräfte dürfen sich in Zukunft nur noch mit registrierten Lobbyist:innen treffen und machen damit den Eintrag ins Lobbyregister deutlich zwingender als bisher. Bisher gilt diese Anforderung nur für die Kommissar:innen, ihre Kabinette und die Generaldirektoren. Wichtige Beamte konnten Lobbyist:innen damit auch ohne Eintrag ins Register treffen.

Erst vor Kurzem hatten wir Ursula von der Leyen in einem Brief zu ihrer Wiederwahl gemeinsam mit anderen Organisationen zu dieser dringenden Maßnahme aufgefordert. Wir sehen das als Erfolg unserer Arbeit und werden darauf achten, dass dies jetzt schnell umgesetzt wird. 

Hintergrund

Hier finden Sie unseren Online-Appell „Für eine EU-Lobbykontrolle mit Biss!".

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