So gaben ein Fünftel aller Teilnehmer:innen nicht an, dass sie enge Verbindungen zu einem Big Tech-Unternehmen haben, obwohl die EU-Kommission sie dazu aufgefordert hatte. Das deckt eine gemeinsame Recherche von CEO, SOMO und LobbyControl auf.
Obwohl die Kommission Transparenz fördern wollte, indem sie ihre DMA-Compliance Workshops für ein breites Spektrum von Teilnehmer:innen öffnete, zeigen Untersuchungen von LobbyControl, Corporate Europe Observatory (CEO) und SOMO einen beunruhigenden Trend. 848 der registrierten Teilnehmer:innen (21 % aller Registrierten) hatten Verbindungen zu den Unternehmen, die der DMA regulieren soll. Darunter Vertreter:innen von 34 Anwaltskanzleien, 22 Lobbyagenturen, 17 Wirtschaftsverbänden, 10 Wirtschaftsberatungsunternehmen und acht Denkfabriken.
Die Recherche zeigt zudem, dass die Kommission die Teilnehmer:innen zwar aufforderte, ihre Verbindungen zu Gatekeepern offenzulegen. Doch fast alle Teilnehmenden ignorierten diese Aufforderung. Dadurch konnten Tech-Konzerne weiterhin unverhältnismäßig viel Einfluss auf die Diskussionen in den Workshops ausüben, ohne die Verbindungen zu den Teilnehmer:innen transparent zu machen. So konnten Google, Apple & Co Kritik abschmettern und die Diskussion zu ihren Gunsten beeinflussen.
Margarida Silva, Researcher bei SOMO, kommentiert:
„Öffentliche Workshops, an denen Unternehmen und Nutzer:innen teilnehmen, bieten die Möglichkeit, die Einhaltung der neuen Regeln durch Big Tech zu testen. Sie können es ressourcenschwachen Gruppen ermöglichen, ihre Bedenken öffentlich zu machen und mehr Informationen zu erhalten. Wenn jedoch keine strikten Vorkehrungen zur Offenlegung und zum Schutz vor Interessenkonflikten getroffen werden, können sie auch leicht verzerrt werden. Denn dann können Anwält:innen, Lobbyist:innen und Expert:innen, die von Big Tech angeheuert oder finanziert werden, die Workshops beeinflussen.“
Zwei von Big Tech finanzierte Organisationen, ACT – The App Association und das International Center for Law and Economics (ICLE), nahmen sogar an den Workshops teil, ohne ihre Unternehmenssponsoren offenzulegen. In den Workshops lenkten beide Kritik ab und stemmten sich gegen Bemühungen, dass Gatekeeper die neuen Vorschriften einhalten müssen.
Bram Vranken, Campaigner bei Corporate Europe Observatory, dazu:
„Der Einsatz von Tarngruppen durch Big Tech zur Verzerrung der öffentlichen Debatte ist äußerst problematisch. Es ist nicht nur irreführend, sondern untergräbt auch die demokratische Entscheidungsfindung. Von Big Tech finanzierte Organisationen wie ACT und ICLE sollten zumindest ihre Interessenkonflikte transparent machen."
Während die Kommission die Teilnehmer:innen dazu aufforderte, ihre Verbindungen zu Gatekeepern offenzulegen, zeigt die Analyse von CEO, LobbyControl und SOMO, dass fast alle Teilnehmenden diese Aufforderung ignorierten. Die Mehrheit der Akteure mit bekannten Verbindungen zu Big Tech legte diese nicht offen, unabhängig davon, ob sie vertraglich (Lobbyagenturen- und Anwaltskanzleien) oder finanziell (Think Tanks) mit den Gatekeepern verbunden waren oder ob die Unternehmen sogar Mitglied in deren Wirtschaftsverbänden waren.
Immense Machtungleichgewichte zwischen Kommission und Tech-Konzernen
Um zu verhindern, dass künftig Workshops in ähnlicher Weise verzerrt werden, drängen CEO, SOMO und LobbyControl darauf, dass alle Teilnehmer:innen etwaige Interessenkonflikte offenlegen müssen. Dazu gehören strengere Anforderungen während des Registrierungsprozesses sowie die Verpflichtung, die eigenen Interessen offenzulegen, wenn man während eines Workshops spricht. Organisationen, die eindeutig als Big Tech-Sprachrohr fungieren, sollte der Zugang zur persönlichen Teilnahme verweigert werden.
Gleichzeitig verdeutlicht die Recherche der drei Organisationen die immensen Machtungleichgewichte bei den Ressourcen zwischen der zuständigen DMA-Abteilung bei der Europäischen Kommission und den Tech-Konzernen. Derzeit verfügt die zuständige Abteilung der EU über nur 80 Mitarbeiter sowie weitere 20 unterstützende Beamte aus anderen Abteilungen. Bei den Gatekeepern hingegen sind insgesamt 106 Mitarbeiter:innen angestellt. Sie werden zusätzlich durch 282 Anwält:innen und Lobbyist:innen ergänzt.
Max Bank, Campaigner bei LobbyControl, fasst zusammen:
„Die EU-Kommission hat es mit Tech-Giganten zu tun, die über praktisch unbegrenzte Lobby-Budgets und Anwaltsteams verfügen. Es ist ein klassisches David-gegen-Goliath-Szenario. Wenn die EU ihre Durchsetzungskapazitäten nicht stärkt, kann auch der DMA die Macht von Big Tech nicht begrenzen. Die Chance dazu bietet sich jetzt mit den heute beginnenden Verhandlungen über den EU-Haushalt.“
Hintergrund
- Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) ist der Versuch der EU, die Monopolmacht von Big Tech einzugrenzen. Es trat am 07. März 2024 in Kraft und stieß auf den erbitterten Widerstand von Big Tech-Unternehmen. Konzerne wie ByteDance, Apple und Meta hatten sich gegen die Einhaltung der Vorschriften gewehrt, rechtliche Schritte eingeleitet und ihren Einfluss geltend gemacht, um den Rechtsrahmen zu untergraben.
- Die Recherche finden Sie hier.
- LobbyControl hat bereits einen Artikel über die Big Tech Frontgruppe ACT | The App Association veröffentlicht.
- CEO und LobbyControl veröffentlichten ein Update zu den Lobbyausgaben der Tech-Industrie im September 2023.
- Weitere Informationen über den Einfluss von Big Tech in der EU.