Morgen soll das Bundeswirtschaftsministerium Zahlen zum zukünftigen Gasbedarf vorlegen und auf dieser Grundlage die benötigten LNG-Kapazitäten belegen. Diese Zahlen hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags angesichts hoher Ausgaben und befürchteter Überkapazitäten verlangt. LobbyControl kritisiert, dass das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) mit der Berechnung beauftragt wurde: Dieses sei zu eng mit der Energiewirtschaft verflochten.
„Das EWI ist eng mit der Energiewirtschaft verflochten: über seine Fördergesellschaft, seinen Aufsichtsrat, aber auch finanziell. Immer wieder ist das EWI auch durch industriefreundliche Auftragsstudien aufgefallen. Dadurch drohen Interessenkonflikte und es stellen sich Fragen zur Unabhängigkeit des Instituts. Es braucht zu der hoch brisanten Frage des Ausbaus von LNG-Terminals gänzlich unbelastete wissenschaftliche Expertise. Das Wirtschaftsministerium muss die EWI-Daten zumindest gründlich mit anderen wissenschaftlichen Daten abgleichen,“ fordert Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl.
EWI-Auftragsstudie für Nord Stream 2
Noch im Jahr 2017 hatte das Institut im Auftrag der Nord Stream 2 AG berechnet, dass die geplante Nord Stream 2-Pipeline hohe Kosteneinsparungen brächte. Das widerspricht anderen wissenschaftlichen Einschätzungen – etwa vom DIW. Dennoch berief sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig auf die EWI-Studie, um den Bau der Pipeline zu rechtfertigen. Zuletzt hatte das EWI eine Studie im Auftrag des PR- und Lobbyverbands der Gasindustrie Zukunft Gas zu den Entwicklungen des LNG-Marktes in der EU erstellt. „Auftragsstudien sind nicht per se problematisch. Sie dürfen aber nicht als zentrale Grundlage für politische Entscheidungen dienen. Wenn Auftragsstudien immer wieder auffallend industrienah ausfallen, entsteht zudem der Verdacht, dass das Institut nicht immer unabhängig arbeitet,“ so Deckwirth.
Energiekonzerne sind zudem eng in das EWI eingebunden. Die EWI-Fördergesellschaft stellt ein Drittel des Aufsichtsrats und finanziert das Institut zu zehn Prozent über projektgebundene Mittel. Mitglieder der Fördergesellschaft sind weit überwiegend Energieunternehmen wie etwa RWE, Eon und EnBW sowie Wirtschaftslobbyverbände wie der Energiebranchenverband BDEW, der BDI oder Kohlelobbyverband DEBRIV. RWE ist zugleich an mehreren LNG-Terminals beteiligt, so etwa am geplanten großen und zugleich hoch umstrittenen festen Terminal auf Rügen.
Energiekonzerne sind beim EWI besonders eng eingebunden
Einer von zwei Vizepräsidenten der EWI-Fördergesellschaft ist Frank Voßloh, Geschäftsführer des (Gas-)Heizungsherstellers Viessmann. Voßloh ist ebenfalls Mitglied im Beirat des Gaslobbyverbands Zukunft Gas. Zukunft Gas ist die zentrale PR-Plattform der Gasindustrie, die gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Stadtwerken auf die Fortsetzung fossiler Gasgeschäfte drängt. Die Fördergesellschaft schlägt zudem laut Satzung den Aufsichtsratsvorsitzenden des EWI vor. Im Vergleich zu ähnlichen, überwiegend öffentlich geförderten Forschungsinstituten sind Unternehmen damit beim EWI besonders eng eingebunden.
Deckwirth: „Wissenschaftliche Forschung muss unabhängig sein – ganz besonders dann, wenn sie dazu dient, zentrale politische Entscheidungen wesentlich mitzuprägen. Es darf noch nicht einmal der Verdacht entstehen, dass Forschungsergebnisse zugunsten von Geldgebern, Gremienmitgliedern oder Auftraggebern verzerrt werden. Deswegen ist das EWI nicht geeignet, in der politisch höchst brisanten Frage der zukünftigen Gas-Bedarfe und LNG-Kapazitäten die relevanten Berechnungen vorzulegen.“
Hintergrund
- Lobbypedia-Artikel zum EWI https://lobbypedia.de/wiki/Energiewirtschaftliches_institut
- Webseite der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V. (EWI e.V.): https://www.ewi-future-energy.de/
- Studie: Pipelines in die Politik - Die Macht der Gaslobby in Deutschland https://www.lobbycontrol.de/gaslobby/
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