Reichtum und Einfluss

Armuts- und Reichtumsbericht: Die Originaldokumente zu Reichtum und Einfluss

Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht ist veröffentlicht – wir dokumentieren nun erstmals detailliert, wie sich der Bericht im Laufe der politischen Diskussionen geändert hat. Was wurde gestrichen, was wurde ergänzt? Unsere Bilanz ist gemischt. Lesen Sie unsere Dokumentation der Änderungen.
von 25. April 2017

Reiche dominieren die Politik in Deutschland, der Rest hat das Nachsehen. Auf diese brisante Aussage lässt sich eine für den fünften Armuts- und Reichtumsbericht erstellte Studie zu ungleichem Einfluss zusammenfassen. In welcher Form die Erkenntnisse dieser Studie im Bericht auftauchen, darüber hat es in den vergangenen Wochen viel Streit gegeben. Nun, da der Bericht veröffentlicht ist, dokumentieren wir erstmals detailliert, wie sich der Bericht im Laufe der politischen Diskussionen geändert hat.

Was wurde gestrichen, was wurde ergänzt? Unsere Bilanz ist gemischt: Positiv ist, dass der Bericht erstmals ein Kapitel zu „Armut und Reichtum und Demokratie“ enthält. Umso bedauerlicher, dass ausgerechnet dieser Abschnitt in der Abstimmung zwischen den Ministerien zusammengekürzt wurde. Immerhin: Am Ende formuliert der Bericht sogar Bedarf für transparente Lobbyregeln – eine erfreuliche Einsicht, die wir so offiziell zumindest von den Unions-Parteien noch nie hören durften. Lesen Sie unsere Dokumentation der Änderungen.

Versionsvergleich: Zoff über Reichtum und Einfluss

Erstmals detailliert dokumeniert: die Änderungen im Armuts- und Reichtumsbericht

Wir haben an dieser Stelle die erste Version des fünften Armuts- und Reichtumsberichts mit der Endfassung im Detail miteinander verglichen und die Änderungen kommentiert. Die gestrichenen und veränderten Passagen haben wir so aufbereitet, dass für alle sichtbar ist, was im Laufe der Abstimmung zwischen den Ministerien verändert wurde. Dadurch wird deutlich, dass der Armuts- und Reichtumsbericht nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit geführt, sondern auch innerhalb der Bundesregierung – vor allem zwischen Arbeitsministerium und Kanzleramt – für Zoff gesorgt hat. Damit haben wir ein erstes Ziel unserer Arbeit schon erreicht: Ungleicher Einfluss war Diskussionsstoff in der Bundesregierung! Hier ist unser kommentierter Vorher-Nachher-Vergleich vom Armuts- und Reichtumsbericht.

Gestrichen: Was das Kanzleramt uns vorenthalten will

Die viel diskutierten Streichungen zu der eigens in Auftrag gegebenen Studie zu ungleichem Einfluss bleiben bestehen – trotz der großen öffentlichen Empörung. Die Aussage, dass Reiche mehr Einfluss auf politische Entscheidungen haben als andere, ist im Bericht zwar enthalten – allerdings nicht mehr in der Deutlichkeit und Ausführlichkeit wie in der ursprünglichen Version. Weggefallen ist die Aussage, dass die Meinungen der unteren und mittleren Einkommensschichten insbesondere bei kontroversen politischen Fragen kaum einen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.

Gänzlich gestrichen blieben die folgenden Sätze (Fettung stammt von uns):

  • „In Deutschland beteiligen sich Bürgerinnen mit unterschiedlichem Einkommen nicht nur in sehr unterschiedlichem Maß an der Politik, sondern es besteht auch eine klare Schieflage in den politischen Entscheidungen zulasten der Armen. Damit droht ein sich verstärkender Teufelskreis aus ungleicher Beteiligung und ungleicher Responsivität, bei dem sozial benachteiligte Gruppen merken, dass ihre Anliegen kein Gehör finden und sich deshalb von der Politik abwenden – die sich in der Folge noch stärker an den Interessen der Bessergestellten orientiert.“
  • „Jedoch vertreten verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre Interessen mit ungleichen Konflikt- und Organisationsressourcen. So können Partikularinteressen von Eliten und Unternehmen in modernen Demokratien einen übergroßen Einfluss gewinnen, mit der Folge einer zunehmenden Entpolitisierung und damit eines Legitimitätsverlustes.“

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Erfreuliches: Transparente Regeln für die organisierte Interessenvertreung

Doch es gab auch positive Entwicklungen. Das Kapitel zu Lobbyismus, dass das Kanzleramt zwischenzeitlich komplett gestrichen haben wollte, ist im neuen Bericht wieder enthalten. Hier hat sich offenbar unser Einsatz bezahlt gemacht. Immer wieder haben wir darauf hingewiesen, dass der Bericht seinem Anspruch gerecht werden muss, die gesellschaftliche Macht von Reichtum zu thematisieren. Der Abschnitt wurde zwar gekürzt und sprachlich abgeschwächt, doch am Ende steht diese wichtige Aussage:

  • „Die Existenz von organisierter Interessenvertretung ist also kein Ausdruck von ‚Demokratie-Versagen‘, sondern im Gegenteil Ausdruck einer pluralen, ausdifferenzierten Gesellschaft. Problematisch ist es jedoch, wenn sie nicht nach transparenten Regeln erfolgt. Auch verfügen verschiedene Organisationen über unterschiedliche Ressourcen. Wählerinnen und Wähler können dann nicht beurteilen, auf welcher Grundlage politische Entscheidungen getroffen worden sind.“

Der Armuts- und Reichtumsbericht verweist hier auf Machtungleichgewichte zwischen verschiedenen Lobbyakteuren und erkennt an, dass es transparenter Regeln für die Interessensvertretung bedarf. Das ist eine klare Aufforderung an die nächste Bundesregierung, endlich Regeln für Lobbytransparenz einzuführen und das Problem von Machtungleichgewichten auf die Tagesordnung zu setzen.

Ein wichtiger Punkt: Forschungsbedarf bei Stiftungen

Das Kanzleramt will über Reichtum und Einfluss lieber schweigen – wir nicht!

Ein zusätzlicher Satz bezieht sich auf Stiftungen. Die Rolle von Stiftungen als Lobbyakteure ist ein wichtiges Thema, um den Einfluss von Reichtum nachvollziehen zu können. Deswegen haben wir uns dafür eingesetzt, dass dies im Armuts- und Reichtumsbericht benannt wird. Im Endbericht steht nun zumindest die Aufforderung nach weiterer Forschung in diesem Bereich:

  • „Zur Klärung von Fragen wie der Unternehmensnähe, personellen Verflechtungen und dem möglichen Einfluss in Deutschland tätiger Stiftungen bedarf es weiterer empirischer Forschungsarbeit.“

Frau Merkel und Herr Schulz: Wir brauchen ehrliche Folgeberichte und verbindliche Lobbytransparenz!

Nun heißt es weitermachen und die Aufforderungen aus dem Bericht ernst nehmen: Wer die nächste Bundesregierung führen will, darf das Problem ungleicher Macht nicht weiter vertuschen. In unserer Online-Aktion fordern wir die Kanzlerkandidaten Schulz und Merkel auf, das Thema ernsthaft anzugehen. Das bedeutet: Die Bundesregierung muss erstens entsprechende Forschungsaufträge vergeben und zweitens bei künftigen Armuts- und Reichtumsberichten deren Ergebnisse ehrlich und ungeschönt wiedergeben.

Zudem brauchen wir endliche klare Regeln für Lobbytransparenz, um Einflussnahme sichtbar zu machen. Die Vorschläge dazu liegen längst auf dem Tisch: Ein verbindliches Lobbyregister, schärfere Regeln für die Parteienfinanzierung und Offenlegungspflichten für Stiftungen. Nur wenn einseitige Einflussnahme sichtbar ist, können wir rechtzeitig darauf reagieren.

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Dokumente:

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