Der anstehende Wohngipfel der Bundesregierung hat eine ordentliche Schieflage. Das bestätigt ein internes Papier über die Teilnahme- und Themenliste, die uns vorliegt. Beim wohnungspolitischen Mittagessen mit der Bundesregierung stehen ganzen 14 Verbänden der Anbieterseite lediglich drei Verbände der Nutzer- und Beschäftigtenseite gegenüber. Viele wichtige gesellschaftliche Gruppen sind nicht einmal eingeladen, viele ihrer Themen fehlen auf der Tagesordnung. Das wohnungspolitische Großevent der Bundesregierung wirkt daher mehr wie ein Immobilienlobby-Gipfel. Diejenigen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, müssen sich hinten anstellen.
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Privilegierter Zugang für die Immobilienlobby
Der Wohngipfel der Bundesregierung zeigt noch einmal deutlich: Die Immobilienbranche genießt einen privilegierten Zugang zur Politik. Schon in die Vorbereitung des Gipfels bezog Bauminister Seehofer sieben Immobilienlobbyverbände ein, während allein der Mieterbund für die Interessen der Mieterinnen und Mieter mitsprechen durfte. Zum Gipfel selbst entsenden die Verbände der Immobilienwirtschaft die meisten Vertreter (siehe Graphik), während Betroffene und ihre Vertreter/innen größtenteils nicht einmal teilnehmen dürfen. Sozial-, Umwelt- und Wohnungslosenverbände oder Recht-auf-Stadt-Initiativen müssen draußen bleiben. Die Ausgeschlossenen organisieren – gemeinsam mit den Gipfelteilnehmern DGB und Mieterbund – am Tag zuvor einen eigenen Alternativen Wohngipfel und rufen zum Tag des offiziellen Gipfels zu einer Kundgebung vor dem Kanzleramt auf. Auch wir beteiligen uns an den Protesten. Kritik kommt auch von Grünen und Linken: Denn anders als unter Seehofers Vorgängerin Barbara Hendricks darf auch die Opposition an den Gesprächen zwischen Verbänden und Politik nicht mehr teilnehmen.
Lobbyarbeit gegen die Mietpreisbremse
Auf der Themenliste des Gipfels sind die Worte „Mieterschutz“ oder „Gemeinnützigkeit“ nicht zu finden (siehe Themenliste unten). Stattdessen wird zunächst Bauminister Seehofer die Beschlüsse des Bundeskabinetts der letzten Monate vorstellen. Dazu zählt vor allem das Baukindergeld, dessen Wirkung umstritten ist. Und dazu gehören Steuersenkungen für Immobilienunternehmen im Mietwohnungsbau – ein Projekt, das die SPD noch in der letzten Legislaturperiode aufgehalten hatte, weil es keine Kappungsauflage für Mieten enthält. Die Stärkung des sozialen Wohnungsbau steht ebenfalls auf Seehofers Liste – hier hat die Bundesregierung bereits eine Grundgesetzänderung vereinbart, nach der der Bund wieder in die Finanzierung mit einsteigt. Das ist auch aus der Sicht von Mieterinitiativen sinnvoll, doch diese fordern vor allem eine dauerhafte Bindung. Letzteres wird Seehofer wahrscheinlich nicht ansprechen.
Auch Justizministerin Barley wird unter dem Stichwort „Weiterentwicklung des mietrechtlichen Rahmen“ das Projekt ihres Ministeriums vorstellen: die Verschärfung des Mietpreisbremse und die Senkung der Modernisierungsumlage. Gegen beides haben in den letzten Monaten Immobilien- und Eigentümerverbände mit aller Härte lobbyiert und dabei Unterstützung von der Unionsseite der Bundesregierung bekommen. Barley wird außerdem über die „mietpreisdämpfende Wirkung der Ausweitung des Wohnungsangebot“ und dessen „Nutzen für die Mieter“ sprechen. Hier lautet die Botschaft: Wenn wir mehr bauen, wird das allen nutzen, auch den Mieter/innen.
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Kein Platz für die Forderung einer neuen Gemeinnützigkeit
Die zentrale Botschaft des Gipfels lautet: bauen, bauen, bauen. Doch es bleibt offen, wer vom staatlich geförderten Bauboom tatsächlich profitieren wird. Sind es die, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind? Oder nicht doch vor allem die großen Immobilienunternehmen wie Vonovia und Deutsche Wohnen, die besonders laut nach Deregulierung und Steuersenkungen rufen? Themen, die Mieterinitiativen aus ihrer Erfahrung vor Ort mitbringen, stehen zum Teil gar nicht erst auf der Tagesordnung. Dazu gehört die Spekulation mit Boden und Immobilien, Verdrängung bestehender Mieter/innen, die Entstehung hochpreisiger Immobilienprojekte oder die Forderungen nach einer neuen Wohngemeinnützigkeit oder dauerhaften Bindungen im sozialen Wohnungsbau.
Die Kontakte zwischen Bundesregierung und Immobilienlobby waren schon vor dem Wohngipfel sehr eng. An den Spitzen der Immobilienverbände sitzen zahlreiche frühere CDU-Politiker, Unternehmen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen stehen im engen Austausch mit der Politik. Andere wohnungspolitische Gruppen können kaum mithalten mit den finanzstarken und gut vernetzten Immobilienunternehmen und deren Verbänden wie ZIA oder GdW. Hier müsste die Politik auf Ausgewogenheit setzen. Die Einlade- und Themenliste des Gipfels zeigt aber genau das Gegenteil: Dieser Gipfel ist unausgewogen, ein solches Lobby-Treffen wird die aktuelle Wohnungskrise kaum lösen. In einer Demokratie müssen die Forderungen und Perspektiven aller gesellschaftlicher Gruppen berücksichtigt werden – und nicht nur die einiger finanzstarker Lobbygruppen.
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Mehr Infos zum Alternativgipfel und den Protesten am Kanzleramt auf mietenwahnsinn.info
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