Seitenwechsel

Karenzzeit-Gremium: Seitenwechsler Waigel soll Seitenwechsel prüfen

Heute wurden die drei Mitglieder des neuen Karenzzeit-Gremiums ernannt. Sie sollen künftig Seitenwechsel von Spitzenpolitikern in die Wirtschaft prüfen und im Einzelfall die Verhängung einer „Abkühlphase“ empfehlen. Pikant: Ein Mitglied des Gremiums wechselte selbst über Nacht von der Regierungsbank in zahlreiche Lobbyjobs – und wäre damit heute selbst ein von dem Gremium zu prüfender Fall.
von 31. August 2016

Politik als Spiel auf Zeit: Wechsel von Politikern in Lobbyjobs vollziehen sich manchmal über Nacht. Doch es dauerte fast zehn Jahre, bis unsere Forderung nach einer Abkühlphase für Seitenwechsler zumindest teilweise in ein Gesetz gegossen wurde. Anfang Juli 2015 beschloss der Bundestag eine Karenzzeit für die Kanzlerin, Minister/innen sowie Parlamentarische Staatssekretäre. Zentral bei der Umsetzung: Ein neues Gremium, das selbst zwar keine Karenzzeit aussprechen kann, aber der Bundesregierung öffentliche Beschlussempfehlungen geben soll.

Ein weiteres Jahr verging, bis die Bundesregierung endlich drei Personen für die Besetzung des Gremiums benannte. Gestern wurden sie endlich offiziell durch Kanzleramtschef Altmaier bestellt. Neben der ehemaligen Hamburger Senatorin Krista Sager (Grüne) und dem früheren Bundesverfassungsrichter Michael Gerhardt soll künftig Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU) über Seitenwechsel von Spitzenpolitikern zu Unternehmen und Verbänden wachen.

Theo Waigel

Theo Waigel wechselte von der Regierungsbank in Lobbyjobs – und soll jetzt die Bundesregierung zu Seitenwechseln beraten. Foto: Metropolico.org CC BY-SA 2.0

Erst Politiker, dann Lobbyist – jetzt Seitenwechsel-Prüfer

Die Benennung von Theo Waigel entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Er wechselte selbst von der Regierungsbank ohne Abkühlphase in die Wirtschaft und hat seither eine beeindruckende Vielzahl von Lobby-, Beratungs-, Aufsichtsrats-, Beirats- und Vorstandstätigkeiten in Unternehmen ausgeübt.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt 1998 blieb Waigel noch bis 2002 Bundestagsabgeordneter. Zugleich nahm er schon 1999 mehrere Nebentätigkeiten auf: als Rechtsanwalt in der internationalen Wirtschaftskanzlei GSK Grassner, Stockmann & Kollegen; im Beirat der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG), einer Großspenderin der Union; und auch mit dem Medienunternehmer Leo Kirch schloss Waigel schon 1999 einen Beratervertrag – dotiert mit einem sechsstelligen Jahreshonorar.

Würde Waigels „fliegender“ Wechsel aus dem Ministeramt in Tätigkeiten für Unternehmen heute stattfinden – er wäre ein zu prüfender Fall für das Gremium, in dem er selbst nun prüfen wird. Mehr Informationen zu Waigels Gang durch die „Drehtür“ zwischen Politik und Wirtschaft finden Sie in seinem neuen Eintrag in der Lobbypedia.

Gremium muss schnell arbeitsfähig werden

Auch jetzt ist der einst in die „Amigo-Affäre“ verwickelte Waigel noch für Unternehmen tätig, u. a. als Vorsitzender des Beirats der DVAG, aus deren Geflecht seit Jahren Großspenden insbesondere an die Union fließen – stets so gestückelt, dass die Spenden nicht sofort veröffentlicht werden müssen. Die sich unweigerlich aufdrängende Frage, ob und inwieweit Waigel befangen ist, wird sich mit den ersten Empfehlungen des Karenzzeit-Gremiums beantworten.

Dieses Gremium muss jetzt schnellstmöglich arbeitsfähig werden. Denn die erste Feuerprobe steht bevor: Anlässlich der Bundestagswahl 2017 ist wieder mit einer größeren Zahl an Seitenwechseln zu rechnen. Damit das Gremium diese Fälle vernünftig prüfen kann, muss es rechtzeitig und angemessen mit unterstützendem Personal und anderen Ressourcen ausgestattet werden. Wir werden die weitere Umsetzung des Karenzzeit-Gesetzes und die Arbeit des neuen Gremiums aufmerksam und kritisch begleiten.

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