Wenn ehemalige Politiker in die Privatwirtschaft wechseln, sorgt das regelmäßig für Diskussionsstoff. Handelt es sich um bekannte Personen oder gar ehemalige Bundeskanzler gilt das insbesondere. So auch letzte Woche als bekannt wurde, dass Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als neuer Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft gehandelt wird. Die Kritik fiel zum Teil heftig aus. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer etwa sagte gegenüber der "Bild am Sonntag" : "Altbundeskanzler Schröder macht sich zum russischen Söldner." Zudem habe der Wechsel "ein Geschmäckle", da private und wirtschaftliche Interessen mit Politik vermischt würden.
Wohlfeile Kritik aus der Union
Die Kritik aus den Reihen der Union ist wohlfeil, da es gerade CDU und CSU waren, die im Bundestag in den vergangenen Jahren immer wieder strengere Regeln für Lobbyismus und für Seitenwechsel abgelehnt hatten. Kritik kam auch von der Bundeskanzlerin, die hervorhob, dass Rosneft ein politisches Unternehmen mit engen Kreml-Verbindungen sei und von EU-Sanktionen betroffen ist. Schröder, so der Subtext, würde mit seinem Engagement die europäischen Russland-Sanktionen unterminieren.
Für Schröders Engagement kann als Argument ins Feld geführt werden, dass seine Kanzlerzeit nunmehr fast zwölf Jahre zurückliegt und er als Privatmann daher tun und lassen könne was ihm beliebt. So etwa der niedersächsische Noch-Ministerpräsident Stephan Weil. Die von LobbyControl geforderte Karenzzeit von drei Jahren hätte Schröder bei diesem Wechsel tatsächlich mehr als eingehalten - anders sah es 2005 beim Wechsel zu Nord Stream, einem Tochterunternehmnen von Gazprom aus.
Verantwortung bleibt auch nach dem Ende der Amtszeit
Doch das ist nicht der Punkt: Die aus einem politischen Amt, insbesondere aus dem des Bundeskanzlers, erwachsene Verantwortung endet nicht mit der Amtsniederlegung. Als ehemaliger Bundeskanzler steht Schröder in einem besonderen Verantwortungsverhältnis zu den Menschen in Deutschland, zumal er nach wie vor für die SPD Politik macht. Erst vor wenigen Wochen hielt Schröder auf dem SPD-Bundesparteitag in Dortmund eine umjubelte Rede. Im Wahlkampf soll der Altkanzler unterstützen. Und schließlich begründet auch Schröder selbst sein Russland-Engagement nicht nur mit privaten Motiven, sondern durchaus politisch.
Klar ist, dass für ein Unternehmen wie Rosneft ein ehemaliger Bundeskanzler der wichtigsten Volkswirtschaft der Europäischen Union eine wertvolle Personalie ist. Schröder verfügt über ausgezeichnete Kontakte in die Politik, Insiderwissen aus seiner Zeit als Kanzler und das Renommee, das mit der Position als ehemaliger Regierungschef einhergeht.
SPD muss auf Distanz gehen
Schröder legt seine politische Verantwortung eigenwillig aus. Mit Regeln ist dem nicht beizukommen - in der Tat wäre eine jahrzehntelange Karenzzeit auch für ehemalige Kanzler unverhältnismäßig. Gefragt sind daher die aktuell politisch Verantwortlichen: Es ist richtig, dass Merkel und Schulz auf Distanz gehen. Aber konsequenter wäre es, wenn die SPD als Partei ebenfalls eine klare Haltung zeigen würde. Die SPD muss glaubwürdig sicherstellen, dass ihr ehemaliger Kanzler seine Position nicht nutzen kann, um Rosneft-Interessen in der Partei durchzusetzen. Dafür braucht es jetzt eine klare Distanzierung, auch im Wahlkampf.
Dass Merkel und Schulz nun beide beteuern, derartige Wechsel nicht anzustreben, war erwartbar. Besser und glaubwürdiger wäre es, wenn die beiden Spitzenkandidaten das Thema Lobbykontrolle im Wahlkampf und den folgenden Koalitionsverhandlungen ebenso ernst nehmen würden: Der Staat darf sich nicht von mächtigen Einzelinteressen an die Wand spielen lassen, egal ob von russischen Ölkonzernen, deutscher Autoindustrie oder amerikanischen Internetgiganten.
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Bild Teaser: André Zahn, CC BY-SA 2.0 DE
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